ELLE: Alle reden gerade von Vitamin D. Ist das nur ein weiterer „Gesundheits-Trend“?
Prof. E.K.: Da ist was dran. Es scheint ein richtiges Modethema geworden zu sein.
ELLE: Also stimmt es nicht, dass wir hier im lichtarmen winterlichen Deutschland alle Mangelwesen sind?
Prof. E.K.: Es gibt Risikogruppen. Das ist sicher so. Ältere Menschen, die nicht mehr mobil sind und Kinder im Wachstum. Aber es fängt schon damit an, dass jedes Land andere Richtwerte hat. Ein optimaler Vitamin-D-Spiegel, heißt es, liegt bei zwischen 30 – 70 µg/l vor. Aber nur mal zur Einordnung: im winterlichen Paris wird ein Wert im Durchschnitt unter 10 µg/l gemessen. Und die Massai, ein ostafrikanisches Nomadenvolk, hat durchschnittlich einen Vitamin D-Spiegel von 50. Bei uns kann man gegen Ende des Winters bei 57% aller deutschen Erwachsenen einen Vitamin-D-Spiegeln unter 20 µg/l messen.
ELLE: Wofür ist dieses Vitamin überhaupt zuständig?
Prof. E.K.: Vitamin D ist kein klassisches Vitamin. Vitamine sind laut Definition Stoffe, die der Körper nicht selbst herstellen kann. Das ist bei Vitamin D aber nicht der Fall. Es funktioniert eher wie ein Hormon, wir können es selber bilden. Vitamin D ist sehr wichtig für die Regulierung des Calcium-Spiegels im Blut und beim Knochenaufbau. Studien zeigen zum Beispiel, dass Osteoporose im Norden viel verbreiteter ist. Schenkelhalsfrakturen kommen zum Beispiel in Oslo und Stockholm viel häufiger vor – nämlich bei 3500 von 100.000 Frauen, in Singapur sind es im Vergleich nur ca 300 Fälle
ELLE: Woran merke ich, dass mir Vitamin D fehlt?
Prof. E.K.: Es gibt einen Bluttest, der Vitamin D im Blut misst. Das Problem: Es wird nur das noch nicht aktivierte Vitamin D gemessen. Gibt es aber Probleme mit der Aktivierung, wenn die Niere nicht richtig arbeitet, ist das schwerer zu erkennen. Wissenschaftler sind zunehmend der Ansicht, dass niedrige Vitamin D-Spiegel wahrscheinlich die Folge und nicht die Ursache einer Vielzahl von eErkrankungen sind. Ein niedriges 25(OH)-Vitamin D kann demnach ein Marker sein – also ein Hinweis auf andere Erkrankungen.
ELLE: Es Wird Vitamin D auch in der Apotheke in Form von Tabeltten, Pulver oder Öl angeboten. Ist das sinnvoll?
Prof. E.K.: Bedingt, würde ich sagen. Aber schaden kann es auch kaum. Es ist nämlich sehr schwer, Vitamin D überzudosieren, da muss man schon sehr, sehr viel nehmen.
ELLE: Was kann ich sonst für meinen Vitamin D-Spiegel tun?
Prof. E.K.: Lebensmittel wie öliger Fisch enthalten viel Vitamin D, 100 Gramm Matjes Hering am Tag wären eine gute Ration. Lachs ist auch ein Vitamin D-Lieferant. Oder Lebentran, da reicht schon ein Teelöfel.
ELLE: Hilft auch ein Urlaub in einer warmen, lichten Umgebung?
Prof. E.K.: Natürlich! In die Sonne gehen ist am besten! Und dabei ist direkte Sonnenbestrahlung gemeint. Vitamin D wird in der Haut ausschließlich unter dem energiereichen UV-B-Einfluss gebildet. Anders als UV-A-Strahlung, die u.a. für die Hautalterung zuständig ist, geht die UV-B-Strahlung aber nicht durch Glasscheiben. Und Sonnencremes und Tagescremes mit Lichtschutzfaktor lassen die Strahlen ja auch nicht ungefiltert auf die Haut.
ELLE: Aber es heißt doch: Nie ohne Sonnenschutz aus dem Haus gehen. Haben Sie eine Formel für uns?
Prof. E.K.: Im Winter jeden Tag ohne Lichtschutzfaktor und ohne Handschuhe zur U-Bahn und zurück. Einmal die Woche ein ausdehnten Spaziergang machen mit hochgekrempelten Armen. Je mehr Hautfläche ich belichte, desto mehr wird Vitamin D wird produziert. Wenn wir uns richtig in die Sonne setzten, ist es wichtig zu wissen: es gibt einen physiologischen Schutzmechanismus für Überdosierung. Nach einer halben Stunde wird bei hellhäutigen Menschen automatisch kein Vitamin D nicht mehr gebildet. Die Faustregel wäre also: Jeden Tag eine viertel Stunde ohne Sonnenschutz ins Sonnenlicht. Sobald die Haut beginnt, sich zu röten bitte die Sonne verlassen oder Sonnenschutzcreme nutzen.